Der Zigeunerkönig

Brauchtum: Ein zünftiges Bier für den toten Zigeunerkönig

Die Mitteldeutsche Zeitung ( MZ ) berichtet am 05.05. 1999 über eine Überlieferung, von der „alte “ Osendorfer immer wieder ihren Kindern erzählen. Die kleine Leichenhalle in Osendorf ist das einzige von Sinti erbaute Gebäude in Mitteldeutschland. „Bei bestimmten Lichteinfall konnten wir den weißen Sarg sehen“ Der inzwischen 76jährige Otto Herrmann erinnert sich an seine Jugendzeit, als er mit Freunden durch die Fenster einer kleinen Leichenhalle in Osendorf geschaut hatte. Und so erzählt man sich bis heute: Im Sarg befindet sich die Leiche des „Zigeunerkönigs“

Kapelle des Zigeunerkönigs
Kapelle des Zigeunerkönigs
Löwenkopf an der Kapelle
Löwenkopf an der Kapelle
Giebelwand der Kapelle
Giebelwand der Kapelle

 

 

 

 

 

 

Der Hobby-Heimatforscher Manfred Döll weiß Genaueres: „Tatsächlich haben zu Beginn des Jahrhunderts Sinti ihr Winterquartier in Osendorf aufgeschlagen.“ Er selbst ist in den Dreißiger Jahren in Radewell zeitweise mit Sinti-Kindern in eine Klasse gegangen. Es gab drei Standplätze für die Wagen. Einer davon war in der Nähe der Gäststätte „Talschlößchen „in Osendorf, die bis in die 50er existierte. Heute heißt die Straße, an der sich das Talschlößchen befand, Karl-Meißner-Straße.

„Aber einen Zigeunerkönig hat es nicht gegeben“, sagt Manfred Döll. In dem weißen Sarg in der Osendorfer Leichenhalle liege der Sinti-Rechtssprecher Nauni, der weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gewesen sein soll. Außerdem befänden sich in der Leichenhalle auch zwei Kindersärge mit den Enkeln des Rechtssprechers.Nauni war Pferdehändler und Anführer des Sintistammes, der häufig in Osendorf in der Karl-Meißner Straße sein Winterquartier aufschlug. Der Blick auf die Elsteraue soll Nauni so gefallen haben, dass er auf dem dortigen Friedhof eine kleine Kapelle erbauen ließ.

Der Friedhof ist verschwunden, auf dem Gelände befindet sich heute ein Spielplatz. Die Kapelle oder Leichenhalle ist erhalten. Am Eingang sind zwei Reliefs mit Löwenköpfen eingelassen. Laut Manfred Döll ist die Kapelle das einzige Gebäude, das Sinti in Mitteldeutschland erbaut haben. Im vergangenen Jahr erst ist das kleine Gebäude auf Betreiben der Ammendorfer Heimatfreunde unter Denkmalschutz gestellt worden.
 
Nauni war Österreicher und hieß Josef Weinlich. „Die Sinti wechselten oft ihre Namen“, erzählt Hobbyforscher Döll, das mache Nachforschungen oft schwierig. Sicher ist aber, dass Nauni 1915 in Osendorf starb. Er wurde in einen Eichensarg gelegt, der am Kopfende ein kleines Glasfenster hat. Weshalb seine Enkel so zeitig starben, ist bisher nicht bekannt. Unter Teilnahme vieler Sinti fand eine „ergreifende“ Beerdigung nach traditionellen Riten statt. So wurden Brot, Wein, Getreide, Silber und Gold mit in den Sarg gegeben. Im „Talschlößchen“ gegenüber dem Friedhof wurde ein Totentrunk gehalten. Dabei gab es einen Brauch, das Bier auf dem Boden auszugießen „damit es der Verstorbene unter der Erde bekommt“.
 
Manfred Döll hat diese und noch viele andere Einzelheiten und Informationen über Sinti in Radewell und Osendorf gesammelt. Im „Jahrbuch des Saalkreises 1999“,ist ein größerer Beitrag des Heimatforschers zu diesem Thema erschienen..


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